Nichtlineare Dynamik, Chaos-Theorie und fraktale Strukturen bilden die
zentralen Inhalte dieses Forschungsprojektes, das sich aus verschiedenen
Teilprojekten zusammensetzt:
- Entwicklung bzw. Fortentwicklung der Methoden der Mathematischen Physik
zur Formulierung und Lösung nichtlinearer Gleichungen. In
Zusammenarbeit mit Prof. Grmela (Montreal, Kanada) gelang es, diskrete
Boltzmann- und Vlasov-Gleichungen über eine dissipative Dynamik
mittels Hamilton und Entropiefunktional zu formulieren und die
dynamischen Invarianten dieser Gleichungssysteme
aufzufinden. Unter Anwendung der Lieschen Similarity-Methode konnte die
Boltzmann-Gleichung (Integrodifferentialgleichung) auf ein System
nichtlinearer gewölicher
Differentialgleichungen reduziert werden(Dissertation El-Hanbaly).
Ferner gelang es für die nichtlineare Boltzmann-Gleichung eine
Methode zur Konstruktion von
Lösungsklassen dieser Gleichung bei Anwesenheit von nicht-konservativen
Kräften zu entwickeln. Fortentwicklungen der Lieschen Methode konnten
ebenfalls erfolgreich angewendet werden bei der Lösung nichtlinearer
Schrödinger- und Diffusions-Gleichungen.
- Eine überaus aktuelle und illustrative Anwendung der nichtlinearen
Dynamik und Chaos-Theorie befaßte sich mit der Dynamik in
Ionen-Fallen(Paul- und Penning-Fallen).
Hier konnten bisher unentdeckte Symmetrien der nichtlinearen
Fallengleichungen aufgefunden werden.
Diese Symmetrieeigenschaften erlauben die Konstruktion von Bewegungsintegralen,
welche reguläre Lösungen bewirken. Die Symmetrien sind experimentell
nutzbar, da sie direkt mit Stellgrößen des Experiments verbunden
sind und damit regulärem Verhalten entsprechen. Chaotisch wird die
Ionenbewegung für alle anderen Parameterkonstellationen. Die
Differenzierung zwischen regulärem und chaotischem Verhalten wurde neben
den analytischen Lösungen mit numerischen Berechnungen der
Lyapunov-Exponenten sowie von Poincare-Schnitten (KAM-Tori) demonstriert.
- Fraktale Integral- und Differentialoperatoren
bilden die mathematische
Grundlage zur analytischen Formulierung fraktaler Strukturen (Zeit- bzw
Geometriefraktale) mit zahlreichen Anwendungen, insbesondere in ungeordneten
Systemen (Gläser, Polymere, etc). Eingehend untersucht wurden fraktale
Anfangswertprobleme der konstitutiven Gleichungen der linearen
Viskoelastizitätstheorie auf Basis fraktaler
Liouville-Riemann-Operatoren. Da sich solche fraktale Gleichungen explizit
lösen lassen, führen sie auf eine Beschreibungsweise, die
einerseits mathematisch exakt behandelbar ist und andererseits mit wenigen,
experimentell einfach zugänglichen Parametern das Verhalten
viskoelastischer Materialien wiedergibt.
- Skalengesetze und fraktale Dimensionen in der Zellbiologie wurden
in Zusammenarbeit mit Prof. Losa (Lausanne/Locarno) im Rahmen der Bestimmung
irregulärer Strukturen von Lymphozyten und Leukämiezellen
angewendet. Diese fachübergreifende und interdisziplinäre
Problemstellung umfaßt auch das Auffinden von Verteilungsfunktionen
für Proteine auf Zellmembranen. Für die experimentelle Bestimmung
der fraktalen Dimension von Zellprofilen mußten vorhandene Algorithmen
zur numerischen Berechnung multifraktaler Rényi-Dimensionen
überartbeitet und eine zuverlässige Fehlerabschätzung ins
Programm eingearbeitet werden.